Eine Frau sitzt gedankenverloren am Strand und grübelt darüber, welche Entscheidung für sie als MS-Betroffene die richtige ist – Kinder ja oder nein?

Richtig oder falsch?


Eine Entscheidung für oder gegen Kinder – für Betroffene mit MS nicht leicht

Willeke van Eeckhoutte geht der Frage nach, ob es „richtig“ oder „falsch“ ist, Kinder zu bekommen, nachdem eine chronische Erkrankung wie MS diagnostiziert wurde.


„Kinder – ja oder nein?“ war eine der wichtigsten und emotionalsten Fragen, die ich mir damals gestellt habe, als bei mir Multiple Sklerose (MS) diagnostiziert wurde. 

Ich war schon immer das schwarze Schaf in meiner Familie und hatte schon lange mit dem Gedanken gespielt, nach Irland auszuwandern. Und an diesem Punkt dachte ich auch über das Thema eigene Kinder nach. 

Aber dann, zweieinhalb Jahre nach dem Umzug nach Irland, bekam ich meine MS-Diagnose und alles, was ich in meiner Karriere und meinem Privatleben noch erreichen wollte, geriet aus dem Blickfeld. Es fühlte sich an, als ob alle Pläne, die ich hatte, im Vergleich zur MS nur noch die zweite Geige spielten. Es war, als hätte die Krankheit überall halboffene Koffer mit Bruchstücken meines Lebens stehen lassen – und ich wusste nie, wann einer sich wie von selbst schließen und verschwinden würde. Kurz gesagt, auf beruflicher und persönlicher Ebene hatte ich keinen Einfluss darauf, wann, wo und ob ich von diesem Moment an leben, lieben oder lachen würde. 

Die Erschöpfung und Gesichtsschmerzen waren schon schlimm genug...

Da Erschöpfung und Trigeminusneuralgie (quälende Gesichtsschmerzen) nur einige meiner Symptome waren, wusste ich, dass mir einiges bevorstand – und ich hätte gerne darauf verzichtet. 

Einschlafen am Tisch beim Abendessen war keine Seltenheit und Gesichtsschmerzen durch Hyperaktivität und plötzliche laute Geräusche anderer Personen reichten mir eigentlich schon. Tränen, Geschrei und zuschlagende Türen – all das, was unweigerlich auch zum Leben mit Kindern gehört, zumindest in den ersten 18 Jahren, erschien mir zu viel für mich. 

Natürlich liebe ich Kinder und auch wenn ich einige Beziehungen hatte, hatte ich am Ende das Gefühl, dass die Entscheidung, kinderlos zu bleiben, nur bei mir lag. Obwohl ich versuchte, zu erklären, wie stark die Gesichtsschmerzen waren, wusste nur ich, wie es wirklich war... Insbesondere die Informationen darüber, dass es sehr wahrscheinlich war, dass sich die Symptome mit der Zeit verschlechtern würden, bestärkten meine Entscheidung. 


Was geschieht, wenn mein Kind meine MS erbt?

Auch wenn MS nicht direkt von Generation zu Generation weitergegeben wird, besteht ein genetisches Risiko für eine Vererbung. Es liegt bei 2-3 %, wenn Verwandte ersten Grades (Eltern, Geschwister oder Kinder) betroffen sind.1

Meine Entscheidung, kinderlos zu bleiben, ist auch darauf zurückzuführen, dass ich ihnen die beängstigenden und wiederkehrenden Gesichtsschmerzen ersparen wollte, falls sie die MS erben würden. Mein Freundeskreis war nicht immer einer Meinung mit mir und es kamen Fragen auf, ob meine Entscheidung egoistisch sei oder nicht. Ich habe aber immer ihre Sichtweise akzeptiert und versucht, sie aus ihrem Blickwinkel zu sehen, aber sie litten nicht an MS und, im Gegensatz zu mir, hatten sie keine Gesichts-, Augen- und Ohrenschmerzen. 

Als ich zudem eine Hyperakusis (Geräuschüberempfindlichkeit) entwickelte, wurde der Lärm, dem ich gelegentlich ausgesetzt war, zeitweilig unerträglich. Niemand hat Kinder, nur um sich wegen der lauten Geräusche in einem schalldichten Raum vor ihnen verstecken zu müssen. Ich müsste ständig sagen: „Seid bitte ruhig“ oder „Nicht das Gesicht berühren, das tut weh!“ Das kam mir einfach nicht fair vor. 


Die Meinungen anderer waren unterschiedlich

Dennoch muss so viel von dem, was wir sagen oder tun, den starren Vorgaben folgen, die die Gesellschaft uns auferlegt. Aber glauben Sie es mir: Es ist absolut in Ordnung, wegen einer Erkrankung kinderlos zu bleiben. Genauso wie es in Ordnung ist, eine anstrengende Krankheit wie Multiple Sklerose zu haben.

Ich habe Menschen mit ganz unterschiedlichen Sichtweisen getroffen. Einige sagen, wenn sie gewusst hätten, dass sie einmal mit MS diagnostiziert werden würden, dann wären sie kinderlos geblieben. Andere sagen, dass sie nichts ändern würden und sich wieder für ihre tollen Kinder entscheiden würden, die sie heute haben. 


Was ist die richtige Antwort?

Ich kam zu dem Schluss, dass es keine richtigen oder falschen Entscheidungen gibt. Ebenso wenig gibt es eine Möglichkeit, anderen zu erklären, dass man seine Gesundheit dem Glück vorzieht, Kinder zu haben. Beides sind lebensverändernde Ereignisse, und beide sind gleichermaßen wichtig und persönlich.

Trotzdem ist es eine schwierige Entscheidung. Häufig wird von Frauen erwartet, dass sie in die Fußstapfen ihrer Mütter treten und einer bestimmten Lebensweise folgen, die nicht immer natürlich für diejenigen von uns ist, die mit neurologischen Erkrankungen leben. 

Unabhängig davon, wie Sie zu dieser Frage stehen, hoffe ich, dass die Diskussion weitergeführt wird. Ist es egoistisch oder selbstlos, seine Gesundheit und sein Wohlbefinden einer Familie vorzuziehen? Was denken Sie darüber?


QUELLE:

1 AMSEL: Irrtümer rund um die MS, 4.03.2018 (https://www.amsel.de/multiple-sklerose-news/medizin/irrtum-ms-sei-vererbbar/, letzter Aufruf 18.11.2025)



Porträt von Willeke welche Geschichten aus Ihrem Alltag mit einer Erkrankung erzählt

Autorin: Willeke Van Eeckhoutte

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