Gut zu wissen 


Was ich gerne gewusst hätte, bevor ich zur Pflegeperson wurde

Die Pflege von Angehörigen ist beängstigend. Vor allem am Anfang. Es fühlt sich an, als ob man allein und ganz ohne Unterstützung am Rand des Unbekannten steht.

Viele von uns fangen so schnell mit unserer neuen Aufgabe an, dass wir uns nicht auf die emotionale Achterbahn und die körperlichen Anforderungen vorbereiten können, die die Betreuung unweigerlich mit sich bringt. Wir sind schnell erschöpft und überfordert.

Das geschah bei mir fast sofort, als ich begann, meine Eltern zuhause zu pflegen.
 


Suche nach Perfektion

Es gab viele Morgen, an denen ich die Augen öffnete, meine neue Realität mich traf und ich von einer Welle der Panik überflutet wurde. Ich war verantwortlich für die Pflege derer, die ich liebte, und das machte mir Sorgen und Angst. Ich spürte enormen Druck, alles perfekt zu machen. Ich wollte alles in Ordnung bringen und alles wieder gut machen. Ich wollte alles richten. Sofort.

Ich drängte mich selbst immer mehr dazu, alles unter Kontrolle zu bringen - alles besser zu machen. Ich machte mich selbst verrückt und begann auszubrennen. Ich dachte einfach, dass ich alles irgendwie wieder in Ordnung bringen könnte, wenn ich schneller und härter und mit mehr Überzeugung arbeiten würde.

Die Dinge wurden jedoch nicht einfacher, sondern komplizierter, und ich erreichte genau das Gegenteil von dem, was ich eigentlich erreichen wollte!

Ich begann langsam zu erkennen, dass ich einen sehr großen Fehler machte. Ich konnte mit dieser Vorgehensweise eigentlich nur scheitern. Ich machte genau das, was alle unerfahrenen Pflegepersonen machen. Ich versuchte, perfekt zu sein, alles auf einmal zu schaffen – und alles allein zu bewältigen.


Mit Bedacht agieren

Eines der wichtigsten Dinge, die wir für uns selbst tun können, wenn wir uns um andere kümmern, ist zu verstehen, dass wir nicht alles auf einmal schaffen müssen. Wir müssen uns langsam an diese seltsame neue Normalität gewöhnen, da die Lernkurve sehr steil sein kann und die emotionalen Auswirkungen oft unerwartet und verwirrend sind. Jeder braucht Zeit, um sich anzupassen, auch die Menschen, die wir betreuen.

Ich war gezwungen, meinen Plan neu zu überdenken. Es war sehr schwierig für mich, mit Bedacht zu handeln, einen Schritt nach dem anderen zu machen, um Hilfe zu bitten und nicht mehr alles selbst zu erledigen. Als ich begann, an meinen Denk- und Verhaltensweisen zu arbeiten, spürte ich etwas Erleichterung. Ich begann langsam, nicht so hart mit mir ins Gericht zu gehen. Ich musste nicht „Wonder Woman“ sein. Ich musste stattdessen präsent sein, mich an meine neue Rolle anpassen und mein Bestes geben.

Dank dieser Entschleunigung konnte ich wieder aufatmen. Zu meiner Überraschung ist nirgendwo der Blitz eingeschlagen, nichts brach zusammen und meine Eltern waren trotzdem sicher und wohlauf.


Auch Sie sind nicht allein!

Obwohl ich mit Herausforderungen konfrontiert war und Fehler machte, versuchte ich nicht mehr, alles allein zu erledigen und nach Perfektion zu streben. Ich habe mir und meinen Eltern Platz gegeben, zu atmen und gemeinsam in unser Leben hineinzuwachsen. Es musste nicht alles auf einmal erledigt werden und auch nicht alles von mir. Und ganz sicher hatte ich nicht alles unter meiner Kontrolle. Sobald ich das verstanden hatte, war ich auf dem besten Weg, eine wirklich gute Pflegeperson zu werden.

Es gibt keine Medaille für pflegende Menschen und kein Ziel, das man erreicht. Es ist kein Wettlauf. Und wenn es ein Wettlauf wäre, wäre es ein Marathon, kein Sprint. Der Wunsch, alle schlechten Dinge zu beseitigen und alles andere in Ordnung zu bringen, ist zu bewundern, aber nicht realistisch. Diese Aufgabe erfordert, dass Sie beratend zur Seite stehen, Trost spenden und Hilfe anbieten. Das erfordert Zeit und Aufmerksamkeit, nicht Zweckmäßigkeit oder alle Antworten zu kennen. Suchen Sie nicht nach einem Regelbuch, das nicht existiert. Wir wachsen in diesem Bereich definitiv an unseren Aufgaben und was für mich richtig ist, ist vielleicht nicht das Richtige für Sie. Am besten ist es, wenn Sie ein Herz voller guter Absicht mitbringen.

Seien Sie einfach Sie selbst, nett und liebevoll. Das ist völlig ausreichend. Auf diese Weise gehen Sie nicht zu streng mit sich ins Gericht, was Ihnen die Kraft gibt, die Sie brauchen. Alles läuft genau so, wie es laufen soll. 
Vertrauen Sie sich selbst und dem Prozess. Keiner von uns ist jemals wirklich bereit zu Pflegen und doch sind wir schon uns unser ganzes Leben irgendwie auf diese Aufgabe vorbereitet. Versuchen Sie, sich zu entspannen. Einfach da zu sein ist schon mehr als die halbe Miete. Und denken Sie daran: Sie sind nicht allein.



Steckbrief Susanne White

 

Autorin: Susanne White

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