Delegation ärztlicher Leistungen: Chancen nutzen
Die Delegation ärztlicher Leistungen an nicht-ärztliches Praxispersonal ist ein wichtiges Thema, welches die Akteure im Gesundheitswesen bereits seit einiger Zeit beschäftigt. Politik und Selbstverwaltung sehen in der Delegation ärztlicher Leistung eine wichtige Säule im Kampf gegen den Hausarztmangel. Die zunehmende Arbeitsverdichtung bei den Hausärzten ist bereits jetzt deutlich spürbar. Dies macht den Beruf des Hausarztes für junge Ärzte nicht gerade attraktiver. Als wichtige Eckpfeiler in der Verbesserung der Versorgungsrealität durch Entlastung der Ärzte sind die breitere Einbindung und die Qualifizierung des nichtärztlichen Praxispersonals zu bewerten.
Umsetzung in der Praxis regional eher zögerlich
Unabhängig von der Abrechnung der Leistungen sind in der Praxis eine Reihe sehr praktischer bzw. grundsätzlicher Fragen zu klären: was kann delegiert werden – und was nicht? Welche Qualifikationen muss das Praxispersonal haben? Wie kontrolliere ich delegierte Leistungen? Wer haftet bei Fehlern bzw. Komplikationen in welchem Umfang (Arzt bzw. MFA bzw. beide?)?
Was muss in der Praxis konkret beachtet werden?
In dieser Ausgabe geht es um wichtige allgemeine Fragen zur Delegation – jenseits der seit Januar 2015 geltenden neuen EBM-Ziffern. Konkret: Ein 79-jähriger älterer Herr mit einem chronischen Ulcus cruris kommt zum Verbandswechsel und zur Grippeimpfung. Der Patient wird seit Jahren in der Praxis behandelt und hatte bereits mehrere Grippeschutzimpfungen. Der Arzt wird zu einem dringenden Hausbesuch gerufen und ist abwesend. Kann ein Mitarbeiter der Praxis sowohl den Verbandswechsel durchführen als auch impfen?
Rechtsgrundlage
Die Möglichkeit der Delegation beruht auf einer Vereinbarung der KBV mit dem GKV-Spitzenverband gemäß § 28 Abs. 1 S. 3 SGB V aus dem Jahr 2013*. Hier wird beispielhaft und nicht abschließend beschrieben, in welchen Bereichen welche Leistungen delegiert werden können. Ergo: Weitere oder davon abweichende Leistungen sind nicht ausgeschlossen. Es ist zu erwarten, dass dieser Katalog weiterentwickelt wird. Die Erbringung ärztlich angeordneter Hilfsleistungen beim Hausbesuch bzw. in Alten- und Pflegeheimen ist bereits 2008 beschlossen worden und Grundlage für die Abrechnung solcher Leistungen als 40240 im EBM. Mit der Nichtärztlichen Praxisassistentin (NäPa) können Praxen seit letztem Jahr für besonders qualifizierte MFA auch Hausbesuchsleistungen abrechnen.
Qualifikation ist das A&O!
Es bestehen drei allgemeine rechtliche Grundsätze, die bei der Delegation zu beachten sind:
- Auswahlpflicht: grundsätzliche Eignung aufgrund der beruflichen Qualifikation
- Anleitungspflicht: die Person ist zur selbständigen Durchführung der zu delegierenden Leistung anzuleiten
- Überwachungspflicht: die Durchführung der delegierten Leistung ist regelmäßig zu überwachen
Die Qualifikation des Mitarbeiters ist entscheidend für den Umfang der Anleitung und Überwachung. Die schriftliche Dokumentation der Anleitung ist dringend zu empfehlen. Sie ist Teil des Qualitätsmanagements der Praxis. Die Verpflichtung zur Anleitung kann nicht durch ein extern erworbenes Kurszertifikat ersetzt werden.
Grundsätzlich gilt:
- Bei vielen zu delegierenden Leistungen wie Hausbesuchen und Wundversorgung muss zuvor ein persönlicher Arzt-Patientenkontakt stattfinden, damit in der Folge die weiteren Leistungen ohne Anwesenheit des Arztes durch die Mitarbeiter durchgeführt werden können.
- Bei manchen delegierbaren Leistungen kann die Anwesenheit des Arztes erforderlich sein (z.B. bei einer i.m.-Injektion eines Schmerzmittels).
- Dies bedeutet, dass der Arzt nicht zwingend im gleichen Raum anwesend sein muss, jedoch im Ernstfall z.B. aus einem anderen Behandlungszimmer dazu gezogen werden kann. Die initiale Wundversorgung oder die intravenöse Erstapplikation einer Substanz sind nicht delegierbar.
Die Gesamtverantwortung und damit auch die Haftung verbleiben beim delegierenden Arzt.
Das Anforderungsprofil und ggf. auch der Arbeitsvertrag des Mitarbeiters sind anzupassen. Bei der Finanzierung einer besonders werthaltigen Qualifizierungsmaßnahme (z.B. NäPa-/VERAHAusbildung) ist zu überlegen, eine zeitlich begrenzte verpflichtende Bindung an die Praxis zu definieren. Wenn der Mitarbeiter aus Gründen, die er zu verantworten hat, innerhalb der ersten 2 Jahre nach Beendigung der Qualifizierungsmaßnahme aus der Praxis ausscheidet, ist ein anteiliger Betrag der Qualifizierungsmaßnahme zurückzubezahlen.
Fazit
In unserem konkreten Fall: da es sich um einen Folge-Verbandswechsel handelt und die GrippeImpfung bisher immer komplikationslos vertragen wurde, sollte – ein qualifizierter und angeleiteter Mitarbeiter vorausgesetzt – der Patient nicht die Rückkehr des Arztes zwingend abwarten müssen.
Die Delegation ärztlicher Leistungen ist unter Beachtung der Regeln eine sinnvolle und attraktive Möglichkeit durch eine effiziente Arbeitsteilung qualifizierter Mitarbeiter den Arzt spürbar zu entlasten. Dies kann die Patientenversorgung quantitativ und qualitativ verbessern.
* Deutsches Ärzteblatt, Jg. 110, Heft 38, 20. September 2013